Interview mit Herrn Dr. Eckart Pech, Vorstand Consumer & Health Management Information Systems der CompuGroup Medical SE, zum aktuellen Stand in der Telematikinfrastruktur

Nach Abschluss des Feldtests in Westfalen-Lippe rechnen Sie Ende Mai mit der Zertifizierung der KoCoBox MED+ zum E-Health-Konnektor durch die gematik. Wie geht es dann in den Praxen mit dem bisherigen Konnektor und den Kartenterminals weiter?

Damit Ärzte und deren Patienten bei der Behandlung von den Mehrwerten der neuen TI-Anwendungen Notfalldatenmanagement (NFDM) und elektronischer Medikationsplan (eMP) profitieren können, ist ein Upgrade des in der Praxis eingesetzten Konnektors zum E-Health-Konnektor notwendig. Dieses — übrigens voll geförderte — Upgrade erhalten unsere über 55.000 TI-Kunden automatisch, sobald wir die finale Freigabe erhalten haben. Wir stehen hier bereits in den Startlöchern und haben für den Rollout des Upgrades alles vorbereitet.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass ein Hardwareaustausch bei unseren TI-Kunden nicht notwendig ist. Das Upgrade macht unseren Konnektor, die KoCoBox MED+, zum E-Health-Konnektor. Die KoCoBox MED+ unterstützt dann neben den bereits genannten Anwendungen als erster Konnektor die Qualifizierte Elektronische Signatur (QES). Diese dient unter anderem zukünftig zur rechtssicheren Signatur von Dokumenten, um diese über den neuen Kommunikationsstandard Kommunikation im Medizinwesen (KIM), den wir aktuell bereits im Rahmen eines Feldtests ebenfalls zur Zulassung bringen, versenden zu können.

Die KBV und der GKV-Spitzenverband haben in ihrer Finanzierungsvereinbarung zusätzliche Förderpauschalen in Abhängigkeit der Fallzahlen zur Beschaffung weiterer E-Health-Kartenterminals für die Sprechzimmer, zum Beispiel für die notwendigen PIN-Eingaben durch den Arzt oder Patienten, vereinbart. Darüber hinaus stehen den Praxen für die Erstanlage und Verwaltung von Notfalldatensätzen extrabudgetäre Honorare zu. Auf unserer Internetseite www.cgm.com/ti haben wir im Bereich „Anwendungen in der TI“ unter „Notfalldatenmanagement“ einen Förderrechner veröffentlicht, mit dessen Hilfe alle Ärzte ihren individuellen Förderanspruch ermitteln können.

Was brauchen Ärzte und Patienten noch, damit Medikationsplan und Notfalldatensatz genutzt werden können?

Zur Anlage eines Notfalldatensatzes auf der eGK des Versicherten hat sich der Arzt zunächst als Vertreter eines Heilberufes auszuweisen. Dafür benötigt er den elektronischen Heilberufsausweis (eHBA). Ohne diesen Ausweis ist die Anlage nicht möglich. Die zuständigen Kammern sind hierbei für die Herausgabe des eHBA verantwortlich. Wir gehen weiterhin fest davon aus, dass die zuständigen Einrichtungen bis zum Start des Rollouts eine allgemeine Ausgabebereitschaft sichergestellt haben werden.

Eine ähnliche Sachlage haben wir auch auf der Patientenseite. Der Zugriff auf die Gesundheitsdaten der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) wird durch eine PIN des Patienten geschützt bzw. autorisiert. Diese individuelle PIN bekommt jeder gesetzlich Versicherte von seiner Krankenkasse mitgeteilt bzw. kann sie dort auch vorab proaktiv erfragen. Die Krankenkassen haben mit der Zuteilung der Patienten-PIN begonnen. Über die Dauer, bis jeder Patient seine individuelle PIN zur Verfügung hat, können wir leider nichts sagen.

Woran hängt es hier konkret? Diese Aspekte waren auch schon vor Corona bekannt? Wer muss jetzt was tun?

Über die Gründe möchte ich aus der Ferne nicht mutmaßen. Der Prozess zur Beantragung des eHBA sieht aus natürlich nachvollziehbaren Gründen zur Wahrung der Sicherheit vor, dass die Genehmigung zur Ausstellung des eHBA durch einen zugelassenen Trusted-Service-Provider — wir kooperieren hier mit der D-Trust GmbH — erst nach Antragsprüfung (u.a. erfolgt die Prüfung der Approbation) durch die zuständige Landesärzte- bzw. Landeszahnärztekammer erfolgen darf. Hier setzen die meisten Kammern auf einen digitalen Antragsprozess. Soweit wir mitbekommen, befindet sich die Realisierung des Verfahrens je nach Kammer in unterschiedlichen Stadien. Bezüglich der Ausgabe der PIN-Briefe durch die gesetzlichen Krankenkassen an ihre Versicherte verbirgt sich natürlich ein hoher Aufwand dahinter. Immerhin sprechen wir von über 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland. Gleichwohl war hier der Fahrplan lange bekannt und die CGM hat stets offen über den Stand zur Verfügbarkeit des E-Health-Konnektors informiert.

Die rund 19.000 Apotheken sollen bis zum 30. September 2020 an die TI angeschlossen sein. Sie steigen gleich auf dem Niveau des E-Health-Konnektors ein. Wie sind hier die Aussichten?

Wir freuen uns sehr, dass nun auch die Apotheken Teil des sicheren Netzwerks der TI sein können. Die gewonnenen Medikationsdaten können vollintegriert über die Warenwirtschaftssysteme der Apotheken zur optimalen Kundenberatung im Kontext der Arzneimitteltherapiesicherheit genutzt werden und so die Apotheke vor Ort in der täglichen Beratung derer Kunden stärken. Darüber hinaus schafft die Anbindung Ihrer Apotheke an die TI die technischen Voraussetzungen für das zukünftige E-Rezept.

Bereits in unserem Feldtest waren 15 Apotheken beteiligt, um die neuen medizinischen TI-Anwendungen zu erproben. Ein großer Teil unserer Kunden hat sich durch unsere Frühbucherangebote bereits ihren Zugang zur TI gesichert. Wir planen den Start der Installationen parallel zur Auslieferung des E-Health-Upgrades an unseren TI-Bestandskunden.

Genau wie in den Arztpraxen ist die SMC-B und künftig auch der eHBA die Voraussetzung um eine TI-Installation in Apotheken erfolgreich abschließen zu können.

Aktuell sind noch nicht in allen Kammergebieten die Voraussetzungen zur Antragsstellung und Bearbeitung geschaffen. Die Kammern sind sich aber ihrer großen Verantwortung bewusst und wir gehen von einer rechtzeitigen Ausgabefähigkeit aus. Dort wo es bereits möglich ist, zum Beispiel im Gebiet unseres Feldtests in Westfalen-Lippe, werden wir aber natürlich sofort und vorrangig mit dem Rollout beginnen. Dann wird es nicht lange dauern, bis die Patienten auch in der Apotheke die Mehrwerte, die sich aus den neuen TI-Anwendungen ergeben, nutzen können.

Klingt so, als wenn die medizinischen Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte, die seit der Gesundheitsreform 2004 in Aussicht gestellt werden, noch weiter auf sich warten lassen. Dabei hat die Corona-Pandemie der digitalen Kommunikation im Gesundheitswesen doch neuen Schwung verliehen.

So schwarz möchten wir das nicht malen. Bei allen gerade beschriebenen Herausforderungen gibt es ja bereits einige Regionen, in denen die Voraussetzungen geschaffen sind und die Mehrwerte in wenigen Wochen genutzt werden können. In Bezug auf den neuen Schwung für die Digitalisierung des Gesundheitswesens haben Sie aber Recht: Gerade in der aktuellen Situation zeigt sich, wie hilfreich beziehungsweise sogar zwingend notwendig telemedizinische Lösungen im Gesundheitswesen sein können. Anwendungen wie die Videosprechstunde oder die Online-Terminbuchung unterstützen derzeit in vielen Praxen den Arbeitsalltag, entlasten und schützen das Praxispersonal und vereinfachen Prozesse. Es zeigt sich aber auch, wie gut es wäre, wenn wir andere Anwendungen schon hätten: beispielhaft die kommenden TI-Mehrwerte elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), das elektronische Rezept oder die elektronische Patientenakte.

Die Voraussetzungen für diese neuen Anwendungen und Mehrwerte werden nun durch die TI geschaffen. Die Zulassung der KoCoBox MED+ zum E-Health-Konnektor ist ein weiterer wichtiger Meilenstein, die Vision unseres CEO Frank Gotthardt, dass niemand leiden oder gar sterben soll, nur weil irgendwann irgendwo einmal medizinische Informationen fehlen, Wirklichkeit werden zu lassen.

Dazu beitragen wird dann auch KIM (Kommunikation im Gesundheitswesen), wodurch erstmalig Leistungserbringer im Gesundheitswesen über Sektorengrenzen hinweg interoperabel, sicher und auf Standards basierend Informationen und Dokumente wie den elektronischen Arztbrief oder die eAU austauschen werden. Sie sehen also: Wir bleiben zuversichtlich und gehen weiter unbeirrt voran um unsere Vision zu verwirklichen und das gesamte deutsche Gesundheitssystem sinnstiftend zu vernetzen.